SlowSex – von der Paarung zur Bindung
In unseren Veranstaltungen machen wir häufig die Erfahrung, dass es vielen Liebespaaren offenbar schwer fällt, auf längere Sicht eine harmonische Beziehung aufrecht zu erhalten. Nach und nach entstehen Ratlosigkeit, Frustration und oft auch Schweigen. Auf der Suche nach Lösungen beginnen sich die meisten Paare mit mehr oder weniger hilfreichen Empfehlungen und Ratschlägen aus diversen Zeitschriften oder Büchern auseinanderzusetzen:
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>> einen „idealeren“ Partner suchen
>> neue, aufregende Reize anbieten, um dem Liebesleben einen frischen Schwung zu verleihen
und vieles mehr.
Ziel dieser Empfehlungen ist es, die fehlende Harmonie, wie wir sie meist aus der Anfangszeit einer Partnerschaft erinnern, wiederherzustellen. Nach einiger Zeit stellt sich jedoch meist heraus, dass all diese Rezepte nicht wirklich dazu beitragen, unser Beziehungsleben dauerhaft zu verbessern.
Man kann bei einer näheren Betrachtung durchaus zu der Erkenntnis kommen, dass die Ursache vieler Schwierigkeiten in der Art und Weise unserer gemeinsamen Sexualität begründet liegt.
Schauen wir uns dazu ein wenig näher das Bild der sexuellen Liebespraxis an, wie wir sie aus der schönen bunten Medienwelt oder durch familiäre Vorbilder sowie eigene idealisierte Vorstellungen dargeboten bekommen.
Der herkömmliche Sex ist seinem Wesen nach zielorientiert. Die Motivation in den Sex zu gehen, ist in der Regel Lust zu erfahren, sich gegenseitig zu erregen und am Ende der Begegnung einen Orgasmus zu erleben. Daher kann man sagen, dass diese Art von sexuellem Miteinander eher fortpflanzungsorientiert ist, da sich am Ende meist die Ejakulation des Mannes ereignet und somit auch eine potentielle Schwangerschaft die Folge sein kann.
Wir befinden uns in solchen Momenten, ohne es zu bemerken, in einem biologisch verankerten Paarungsprogramm, das ohne unser bewusstes Zutun mehr oder weniger automatisch abläuft. Zugleich ereignen sich besondere neurochemische Vorgänge in unserem Gehirn. Während des sexuellen Verkehrs produzieren die Körper beider Partner nämlich große Mengen des Hormons Dopamin. Dopamin wird auch als „Glückshormon“ bezeichnet und ist die Vorstufe von Noradrenalin und Adrenalin. Es ist einer der wichtigsten Neurotransmitter (Botenstoffe) im Zentralnervensystem und zuständig für Koordination, Motorik, Konzentration, Antrieb, Motivation, Appetitregulation und kognitive Leistungsbereitschaft. Im Verlauf einer sexuellen Begegnung, insbesondere durch intensive Stimulation, steigt die Ausschüttung von Dopamin stetig an. Unmittelbar nach dem Orgasmus fällt dieses Dopamin dann rapide ab und zieht dadurch oft eine tiefe Erschöpfung oder Müdigkeit nach sich. Manchmal empfinden wir nach solch einem Höhepunkt sogar ein tiefes Bedürfnis nach Ruhe und Alleinsein. Diesen Vorgang können wir als ein evolutionsbiologisches Erbe betrachten, da es im Kontext der Fortpflanzungsorientierung für unseren Organismus von großem Interesse ist, sich genetisch möglichst zahlreich zu vermehren. Am „effektivsten“ lässt sich dieses Ziel durch häufigen Sex, gerne auch mit wechselnden oder neuen Partnern erreichen, da es die Chancen unserer Gene erhöht, sich zu reproduzieren.
In diesem allmählich verlaufenden Prozess der Beziehungsentwicklung beginnen nach einer anfänglichen Hoch-Zeit der unstillbaren Lust und Leidenschaft zwischen den Partnern, dann oft die üblichen Probleme. Erste Anzeichen zeigen sich meist in Gestalt von latenter oder offener Reizbarkeit, Unausgeglichenheit, Erschöpfung, ein Gefühl des Getrennt-Seins voneinander und damit oft einhergehend ein Nachlassen der sexuellen Anziehung, oft auch eine gewisse Zerstreutheit und im Allgemeinen körperliche Spannungen.
Bei Männern kann dies im Extremfall bis zu Erektionsproblemen und bei Frauen zu sexuellem Desinteresse führen. Eine sexuelle Übersättigung schleicht sich ein. Neurochemische Fluktuationen nach dem Orgasmus sorgen nämlich dafür, dass wir unseres Partners überdrüssig werden können und uns neue Partner attraktiver erscheinen. Dies kann nach einem Liebesakt bis zu zwei Wochen andauern, bevor die Körper wieder bereit sind, sich zu „paaren“. Da wir diese Zustände und subtilen Spannungsgefühle meist als unangenehm empfinden, sind wir bestrebt, diese möglichst schnell zu beseitigen – angeblich am leichtesten durch einen erneuten sexuellen Kontakt. In unserer modernen Kultur stehen uns zusätzlich zum Sex zahlreiche andere Möglichkeiten und Ablenkungsstrategien zur Verfügung, die uns in eine scheinbar angenehm körperliche oder seelische Verfassung erheben können. Eine Art „Selbstmedikation“ durch ersatzweise Befriedigungen bietet sich nun den voneinander enttäuschten Partnern an. Angefangen bei Dingen wie dem Konsumieren von Zucker, Alkohol, Zigaretten über verschiedene Aktivitäten wie dem Fernsehen, dem Computerspielen ( Internet/ Pornographie ), dem unangemessenen Einkaufen, dem bis zur Erschöpfung führenden Arbeiten oder dem regelmäßigen Konsumieren von Sex. Insbesondere der Sexualverkehr mit abschließendem Orgasmus verspricht uns nun erneut eine schnelle Form der Entspannung.
An dieser Stelle steigen wir allerdings häufig in eine Achterbahn unserer Neurobiologie ein, deren Wegstrecke durch Höhen und Tiefen hindurchführt, hervorgerufen durch das oben erwähnte Dopamin. Eine erneute Stimulation erhöht den sogenannten Dopaminspiegel erst einmal und gibt unserem Körper ein Gefühl des Wohlbefindens. Bei bestimmten Drogen oder Ereignissen erleben wir sogar einen Zustand des Rausches. Doch einem jeden Hoch folgt mit unausweichlicher Sicherheit ein ausgleichendes Tief, denn unser Körper ist ein äußerst intelligentes System, stets zuverlässig bestrebt, ein angemessenes Gleichgewicht zu erhalten. Nach geraumer Zeit kann solch eine Situation in den Bereich einer Sexsucht oder einer Sucht nach anderen Stimulanzien führen, auf der ständigen Suche nach körperlich-emotionalem Wohlbefinden. Hier liegt die körperliche Ursache vieler Süchte und Abhängigkeiten begründet, die allerdings nach unserem Verständnis einen ehrlichen Ausdruck vorhandener innerer Abhängigkeitsstrukturen darstellen.
Es entsteht ein Kreislauf, aus dem sich oft nur durch eine Entziehungskur die heilsame Lösung zurück in die Selbstbestimmung ergibt.
Wie können wir nun als Liebespaar diesen biologischen und zum Zwecke der Fortpflanzung durchaus sinnvollen Verläufen entgegenwirken, wenn wir eben keinen Nachwuchs zeugen möchten, jedoch uns körperlich intim und nährend begegnen und verbinden wollen?
Hier kommt nun Slow Sex ins Spiel. Slow Sex ist eine Form der körperlichen Vereinigung, in der die Aufmerksamkeit auf dem Austausch von bewusster Berührung und einer entspannten gemeinsamen Zärtlichkeit liegt. Dazu zählt ein sanfter Sexualverkehr, abgewechselt mit Phasen der Stille und einer großen Portion gegenseitiger Zuneigungsbezeugungen. Im Slow Sex steht das Erreichen eines Orgasmus nicht mehr an erster Stelle – vielmehr ist es das Anliegen, einen sinnlich-sexuellen Raum zu erschaffen, in dem ein Mehr an Intimität und Nähe, sowie ein Vertiefen der partnerschaftlichen Bindung und Begegnung möglich wird.
Beide Partner lernen, die innere sexuelle Spannung nicht über ein bewusst lenkbares Maß hinaus in eine heiße Zone zu führen, sondern gemeinsam über einen längeren Zeitraum wie auf einer Welle des sinnlichen Wohlbefindens zu „reiten“ und in einem mehr kühleren Bereich zu verweilen, ohne dem Ziel, am Ende einen Orgasmus herbeiführen zu müssen. Allerdings geht es hierbei nicht um die Unterdrückung dieses natürlichen Vorganges, sondern vielmehr um das Erfahren einer körperlichen Vereinigung, fernab von Zielorientiertheit und Leistungsdruck.
Slow Sex bietet in diesem Kontext den Partnern eine Alternative, da diese Art des achtsamen körperlichen Miteinanders durch bewusstes Aussenden von Bindungssignalen ( wie z.B. Zuwendung, Augenkontakt, Streicheln um den Anderen zu entspannen ) dem manchmal sehr überwältigenden Dopamin eine zusätzliche neurochemische Substanz hinzufügt: das Oxytocin. Es wirkt im Organismus auf natürliche Weise gegen Stress, Depression und defensives Verhalten und erzeugt angenehme Gefühle des Verbundenseins, Gefühle von Nähe und Vertrautheit. Oxytocin beruhigt außerdem starkes Verlangen und ist nach neuesten Forschungsergebnissen auch der Grund dafür, warum vertraute und insbesondere harmonische Beziehungen mit einem längeren Leben, schnellerer Heilung, einer niedrigeren Krankheitsrate und weniger Abhängigkeiten in Verbindung gebracht werden.
Auch ergibt sich in dieser Weise des Zusammenkommens kaum das Bestreben, seine Ruhe haben zu wollen, um nach `vollbrachter Leistung´ in den Schlaf zu gleiten. Wir sprechen hier von einer bindungsbasierten Liebespraxis, die unser angeborenes Bedürfnis nach Bindung und sozialem Kontakt sehr befriedigend erfüllen kann. Das Experimentieren mit bindungsorientierten Ansätzen im alltäglichen Miteinander kann daher sehr unterstützend darin sein, ein Mehr an Intimität und Nähe zwischen den Partnern zu ermöglichen. Allerdings sei ebenso gesagt, dass Räume des echten Austausches und der ehrlichen Begegnung zwischen den Partnern nur möglich sind, wenn die Beziehung zum eigenen Inneren, den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen gegeben ist. Auch braucht es ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem persönlichen Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung und unserem Bedürfnis nach Verbindung und Intimität zu unserem Liebespartner. Das Erforschen einer Liebespraxis wie dem Slow Sex kann einen völlig neuen Beziehungsraum eröffnen, in dem wir Fülle statt Bedürftigkeit erleben. Die Partnerschaft wird auf eine neue Ebene gehoben, in der wir friedlicher, entspannter und liebevoller mit unserem Partner und mit uns selbst umgehen können. Dies wirkt sich auf unser gesamtes Leben aus und bereichert unseren Alltag auf erfüllende Weise. Auch wenn Orgasmusfixierung in der Sexualität ein tief verwurzeltes Programm in uns ist, kann es ein sehr lohnenswertes Unterfangen sein, sich auf den Forschungsweg einer neuen Liebespraxis zu begeben, um neue Wege der Liebe einzuschlagen! Im sexuellen Kontext kann das Erforschen solch einer Liebespraxis uns dahingehend unterstützen, eine Sexualität mit unserem Partner zu erleben, in der wir die Freiheit einer Wahl an die Hand bekommen – einer Wahl zwischen einem langfristig im Ergebnis trennenden sexuellen Beisammensein oder einer Zweisamkeit, die uns sowohl in unserem Bedürfnis nach Verbindung als auch in unserem Bedürfnis nach echter Nähe und Intimität immer wieder neu bestärken und nähren kann.
Achtsamkeit in der Partnerschaft
Was wünsche ich mir in meiner Partnerschaft? Manche können diese Frage auf Anhieb beantworten andere finden womöglich nach langem Überlegen keine konkrete Antwort darauf. In einer Liebesbeziehung, wie auch in allen anderen Beziehungen mit unseren Mitmenschen, sollten wir auch der Beziehung zu uns selbst bewusst sein. Mithilfe dieser Bewusstheit kann Partnerschaft zu einem wundervollen, Kraft spendenden Ort und einer tiefen Verbundenheit zu sich selbst, zum Anderen und zum gemeinsamen Leben werden. Seit vielen Jahren bieten Hella Suderow und Christian Schumacher unterschiedliche Veranstaltungen, Beratungen und Begleitung im Feld der Achtsamkeit in Partnerschaft und Sexualität an. Im Rahmen unseres Achtsamkeitsmonats haben wir die beiden um ein Interview gebeten:
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Achtsamkeit, wie wir sie verstehen, ist ein Zustand der bewussten Anwesenheit im gegenwärtigen Moment. Es geht darum, zu wissen, was ich erlebe, während ich es erlebe. Wir beziehen uns hierbei auf den Körper und laden dazu ein, sich im eigenen Körper zu verankern. Mithilfe unseres Geistes können wir unsere Aufmerksamkeit in das Spüren des Körpers lenken und auf diese Weise üben, uns aller Sinneseindrücke, Körperempfindungen und Gefühle deutlicher gewahr zu werden.
Aus unserer Arbeit mit Paaren wissen wir, dass es eine große Sehnsucht nach einer tieferen Verbindung zum Partner bzw. zur Partnerin gibt und oft nicht gewusst wird, wie diese Verbindung hergestellt werden kann. Im ersten Schritt stärken wir also die Verbindung zum eigenen Körper, denn über den Körper verankern wir uns in der Gegenwart. Erst von hieraus können wir eine tiefere Verbindung zum anderen, zum Du aufbauen.
Wenn wir uns einmal ganz ehrlich beobachten, sind wir selten wirklich im Kontakt mit unseren Körperempfindungen und unserem Sinneserleben, sobald wir in Begegnung gehen. Wo bin ich tatsächlich mit meiner Aufmerksamkeit, wenn ich mich zum Beispiel von meinem Liebsten verabschiede?
Es sind diese vielen kleinen Alltagsbegegnungen, die uns einladen, einen Moment inne zu halten, den eigenen Körper in der Begegnung wahrzunehmen und von hieraus den Menschen zu spüren, den wir gerade küssen oder umarmen. Ohne dieses bewusste Innehalten und Wahrnehmen wird jeder Kontakt oberflächlich und zu einer Routine. Der Verstand „weiß“, wie sich eine Begegnung ereignen wird und langweilt sich schnell. Der Körper jedoch kann im gegenwärtigen Augenblick etwas mit all seinen Sinnen erleben – dies ist nie langweilig, sondern immer wieder neu: Jetzt! Und mit Hilfe der Achtsamkeit kann jede noch so kleine Begegnung oder Berührung eine Einladung sein, in dieses Jetzt gemeinsam einzutauchen und eine wirklich nährende Verbindung miteinander aufzubauen sowie die Herzen füreinander zu öffnen.
Des Weiteren ist eine achtsame Kommunikation in Beziehungen ein wichtiges Thema, das Übung und oft auch Unterstützung von außen braucht, um aus eingefahrenen Mustern aussteigen zu können. Konkret kann ich zunächst üben, meinem Partner wirklich zuzuhören. Was bedeutet das genau? Wenn der andere spricht, entspanne ich mich, öffne mich für mein eigenes inneres Erleben, ohne gleich etwas entgegnen zu wollen, lasse das Gehörte auf mich wirken und habe ein ehrliches Interesse, etwas über die Welt meines Gegenübers zu erfahren.
Eine wunderbare Möglichkeit, ein achtsames einander Zuhören zu üben, ist ein sog. Seelengespräch, in dem jeder einen festgelegten Zeitraum zum Sprechen und zum Zuhören bekommt. Wir geben diese konkrete Übung Paaren oft mit nach Hause, die zu uns in die Beratung kommen.
Ganz allgemein lässt sich sagen, dass eine Beziehung leider von ganz allein schlechter wird. Wenn wir jedoch ein achtsames Miteinander kultivieren, wird die Liebe füreinander immer tiefer, anstatt im alltäglichen Fluss des Lebens verloren zu gehen.
Sie haben beim letzten Heiligenfelder Kongress ein Vortrag zum Thema „Slow Sex“ gehalten. Was ist „Slow Sex“?
Der Begriff „Slow“ mag die Vorstellung wecken, dass es um Langsamkeit in der sexuellen Begegnung geht. Gemeint ist jedoch, Achtsamkeit nicht nur in den alltäglichen Beziehungsraum einzuladen, sondern mit Hilfe von Bewusstheit auch im Sex die Liebe füreinander zu stärken. Also im wahrsten Sinne des Wortes nicht nur `Sex haben‘, sondern wieder `Liebe machen‘! Und sobald wir dafür die Achtsamkeit sozusagen mit ins Bett nehmen, wird Sex von ganz allein langsamer. Es handelt sich also vielmehr um eine innere Haltung als um eine neue sexuelle Technik. Über das Anwesend-sein im eigenen Körper, so wie oben beschrieben, erweitern sich die Möglichkeiten des gemeinsamen Erlebens. Der Spielraum des Erfüllens von Bedürfnissen und Wünschen für beide Liebenden wird größer und vielfältiger. Ganz allgemein gesagt wird der Liebesraum weiter und tiefer. Und mit der Tiefe wächst dann auch die Verbindung und die Liebe, die gerade in langen Beziehungen verloren geht, wenn wir den Sex gewohnheitsmäßig, oft auch nur noch zum Zweck der Befriedigung des sexuellen Triebes ausleben oder als Teil des partnerschaftlichen Pflichtprogramms abarbeiten. Tatsächlich begegnet uns diese Situation in unserer Arbeit mit Paaren fast täglich, mit all den Enttäuschungen, Frustrationen und Missverständnissen, die damit einhergehen.
Gerade in der Sexualität spulen wir unbewusst immer wieder die gleichen Erregungsmuster ab, sind mit unserer Aufmerksamkeit oft auf ein Ziel – den Orgasmus – fokussiert und spannen uns an, um dorthin zu gelangen, anstatt der eigentlichen Schönheit des Sich-Spürens im Hier und Jetzt unsere Aufmerksamkeit zu schenken – mit allem, was in uns gerade lebendig ist. Dies schließt auch mit ein, dass wir uns mit unseren Unsicherheiten und unserer Verletzlichkeit zeigen und annehmen lernen.
Unbewusst spiegelt die Art und Weise, wie wir Sexualität leben, auch unsere Gesellschaft wider: Es geht eher darum, einem perfekten äußeren Bild zu entsprechen und gute Leistungen zu erbringen. Es geht um Event, um Konsum. Wir benutzen einander, ohne uns darüber bewusst zu sein, und wir brauchen immer stärkere Reize, um überhaupt noch etwas zu fühlen. Hier verlieren viele Paare die Lust am sexuellen Beisammensein, weil sich der Wunsch nach einer tieferen Verbindung über diese Art der Sexualität nicht erfüllen lässt.
Slow Sex lädt dazu ein, den Fokus der Aufmerksamkeit nicht auf äußere Reize zu legen, sondern wieder feinfühliger für das innere Erleben zu werden – Sensibilität statt Sensation!
Indem wir uns im Liebesspiel immer wieder darauf besinnen, uns im eigenen Körper wirklich zu spüren, uns miteinander zu entspannen und uns berührbar zu zeigen sowie ehrlich zu teilen, was uns Freude macht oder was gerade in uns lebendig ist und dies alles mehr und mehr in unser erotisches Spiel einfließen lassen – spielerisch, forschend und mit einer guten Portion Humor – stärken wir unsere Verbindung und Liebe füreinander.
Für wen eignet sich „Slow Sex“?
Grundsätzlich eignet sich diese Art von Sexualität für jeden Menschen, der daran interessiert ist, sich in der eigenen Sexualität weiter zu entwickeln. Slow Sex ist für all diejenigen passend, die den Sex nicht nur als Triebbefriedigung oder Stressabbau benutzen wollen, sondern die durch die sexuelle Begegnung mit dem Du ihre Verbindung, ihre Nähe, ihre Intimität und letztendlich ihre Liebe vertiefen wollen. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Sowohl junge als auch ältere und alte Menschen fühlen sich davon angezogen, insofern sie mit den Qualitäten der achtsamen Haltung übereinstimmen.
Oft finden Paare den Weg in unsere Seminare, die sich zwar lieben, jedoch das Interesse am konventionellen Sex verloren haben. Sie spüren, dass es noch mehr geben muss, als immer wieder die gleichen Muster abzuspielen und sind traurig, nur noch selten oder vielleicht sogar gar keine körperliche Begegnung mehr miteinander zu erleben. Manchmal tauchen in den Wechseljahren der Frau auch Schmerzen auf, was zu einem totalen Abbruch der Sexualität führen kann. Oder ein Mann verliert mit zunehmendem Alter seine volle Erektionsfähigkeit und fühlt sich verunsichert. Vielleicht gehen auch die Kinder aus dem Haus und ein Paar sucht nach neuen Wegen im Miteinander, um die dann wieder freigewordene Zeit für ein Mehr an Verbindung zu nutzen. Manchmal kommen auch junge Paare, die vor dem ersten Kind ihre Beziehung auf ein stabileres Fundament stellen möchten.
Welche Intention auch dahinterstecken mag: Es ist immer eine Bereicherung für die Partnerschaft, sich für eine Weiterentwicklung und ein tieferes Verstehen mit dem Thema der Sexualität auseinanderzusetzen.
Sex oder Liebe & wie aus dem ODER ein UND werden kann!
Ich erinnere mich noch gut an eine Beziehung, in der mir mein damaliger Partner mitteilte, dass er mich zwar begehren, jedoch nicht lieben würde. Ich könne mich darüber freuen, denn wenn er mich lieben würde, ginge seine sexuelle Lust auf mich verloren. Ich war zutiefst verletzt! Dieses Ereignis liegt nun 25 Jahre zurück und aus meiner heutigen Erfahrung wage ich zu behaupten, dass dieser Mann einfach nur im Kontakt mit einem Dilemma war, das auch heute noch in der Mitte unserer Gesellschaft völlig normal ist, aber nicht ehrlich ausgesprochen wird:
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In unserer Arbeit mit Paaren erleben wir es immer wieder, dass nach anfänglicher Verliebtheit die sexuelle Anziehung verloren geht. Nähe und Vertrautheit wachsen, die Lust aufeinander schwindet. Trotz sexueller Befreiung gelingt eine beide Seiten erfüllende körperliche Begegnung in den allerwenigsten Fällen. Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig.
Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die individuelle Paardynamik schauen, sondern Sie, lieber Leser, anregen, einmal folgende Frage in sich zu bewegen:
Was sind meine tiefsten Sehnsüchte, wenn ich mit einem geliebten Menschen Sex habe? Schließen Sie für einen Moment Ihre Augen und lassen Sie die Frage auf sich wirken.
Ich habe diese Frage schon an viele Menschen gerichtet und immer wieder ähnliche Antworten erhalten: Verbundenheit, Geborgenheit, Ankommen, Angenommen sein, Miteinander, Verschmelzung, Entspannung – fügen Sie gern weitere Begriffe hinzu!
Interessant wird es zu erforschen, was genau in uns passiert, wenn sich diese Sehnsucht nach Intimität und Verbundenheit im Sex nicht erfüllt.
Ich behaupte, dass die doch eigentlich schönste Sache der Welt ein Spiegelbild unserer heutigen Gesellschaft geworden ist und dadurch viel an der ihr innewohnenden Magie verloren hat.
Wir leben in einer Kultur, in der der Verstand über das Herz gestellt wird. Unsere Welt ist auf Konsum, Leistung, Effektivität und Ziele ausgerichtet. Wir können nicht in dieser Welt bestehen und dann einfach diese Eigenschaften an der Schlafzimmertür ablegen, uns entspannen, unser Herz öffnen und in wunderschönes, einander verbindendes Miteinander eintauchen. Diese Welt hat, ohne dass wir uns meist darüber bewusst sind, Einzug gehalten in unser Liebesleben. Sex ist eine Sache des Verstandes geworden. Wir wollen gut sein im Bett, sind auf ein Ziel, den Orgasmus fixiert, wollen vom anderen die Erfüllung unserer Bedürfnisse haben.
Vielleicht finden Sie sich nicht in dieser Beschreibung wieder oder haben aufgrund dieser Tatsache die Lust am Sex in ihrer Beziehung verloren. Es könnte jedoch durchaus ein spannendes Unterfangen sein, sich der Sexualität mit einem neuen Interesse und Forschergeist zuzuwenden. Denn nur, wenn wir unsere unbewussten sexuellen Muster wirklich mitbekommen, können sich diese verwandeln. Bewusstheit schafft Veränderung und in unserer Sexualität liegt viel Unbewusstes verborgen!
Damit sich die sexuelle Energie mit dem Herzen verbinden kann, braucht es eine Bereitschaft, im Hier und Jetzt zu sein. Hierfür ist es unterstützend, langsamer zu werden, zu entspannen, inne zu halten und in sich selbst hinein zu lauschen. Wann werde ich mechanisch, wann fange ich an, auf ein Ziel hinzuarbeiten?
Eine wirklich nährende Verbindung kann sich nur in der Gegenwart ereignen. Wo aber bin ich, wenn ich ein Ziel im Blick habe oder gar mit sexuellen Phantasien beschäftigt bin? Wo, wenn ich etwas erreichen oder vom anderen etwas bekommen möchte?
Es ist an dieser Stelle hilfreich, den mitfühlenden Blick des inneren Zeugen auf unsere sexuellen Gewohnheiten zu richten. Es geht nicht um richtig oder falsch, um gut oder schlecht. Nur über die Anerkennung meiner Konditionierungen kann ich über sie hinaus wachsen. Der Verstand greift gern nach neuen Dogmen, das Herz jedoch urteilt nicht.
Wir Menschen unterliegen wie die Tiere einem Paarungsprogramm, bei dem Liebe keine Rolle spielt. Was uns jedoch von den Tieren unterscheidet, ist unsere Fähigkeit zu Bewusstheit. Nur, wenn wir auch unsere Sexualität mit dieser Fähigkeit verbinden, kann die Liebe wieder Einzug in unsere Betten halten.
Der erste Schritt ist also die Bereitschaft, im Sex meditativer zu werden und sich mit dem eigenen Körper zu verbinden. Wir haben gelernt, unsere Aufmerksamkeit auf den Partner zu richten. Dabei verlieren wir leicht den Kontakt zu uns selbst. Es mag wie ein Paradox klingen: Je intensiver und ehrlicher ich im Kontakt mit mir selbst bin, umso tiefer wird die Verbindung zum Du. Dann habe ich wirklich etwas zu teilen, anstatt etwas haben zu wollen. Auf diese Weise öffnet sich in der sexuellen Begegnung ein wunderschöner Raum des Miteinanders, in dem sich nicht nur die Genitalien miteinander verbinden, sondern auch die Herzen.
Um die Qualität einer solchen Verbindung zu erleben, braucht es vor allen Dingen Zeit für die Liebe. Es braucht Inseln jenseits unseres Alltags, in denen wir uns diese Zeit bewusst zugestehen, um eine Tür zu einem neuen Erfahrungsraum öffnen zu können.
Es ist wirklich lohnenswert, sich diese Zeiten zu nehmen, denn wenn aus dem Oder wieder ein wirkliches Und erwächst, wird das ganze Leben entspannter und liebevoller.
KGS Hamburg 2014
Vom Unterschied, eine Frau zu sein
Der liebe Gott erschuf das Weib – oder war es die große Göttin? Egal, denn in den himmlischen Sphären gibt es ja eh nur androgyne Wesen! Aber hier auf der Erde dürfen Frauen in weiblichen Körpern Erfahrungen sammeln – geboren in der heutigen Zeit und in einer Gesellschaft wie der unsrigen ein, wie ich finde, durchaus glücklicher Umstand! Wäre da nicht die Genderforschung, die davon ausgeht, dass es keinen Unterschied zwischen Frau und Mann gäbe und dieser lediglich kulturell bedingt sei.
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Was jedoch, wenn ich dem Manne gar nicht gleichen möchte, weil ich das Spiel des Weiblich – Männlichen erheblich vermissen würde? Gender hin oder her, wir brauchen die Dualität hier auf Erden, die Entwicklung überhaupt erst ermöglicht. Ich muss doch nicht die Nacht zum Tage machen, um meinen inneren Frieden zu finden!
Und was, wenn es für ein ausgewogenes Spiel der Kräfte hier auf unserem Planeten dringend einer gelebten Weiblichkeit bedürfte?
Da lobe ich mir die seit Jahrtausenden bestehende tantrische Lehre, die zwar auch besagt, dass Frau und Mann sich gleichen, da beide sowohl weibliche wie männliche Attribute in sich tragen. Sie wirken jedoch als einander entgegengesetzte Kräfte und ergänzen sich auf wunderbare Weise!
C.G. Jungs Lehre beschreibt es ähnlich: Anima und Animus als die zwei wichtigsten im kollektiven Unbewussten angelegten Urbilder. Die Frau besitzt ein männliches Urbild, ihren inneren Mann (Animus), abgrenzend zu ihrer äußeren, weiblichen Persönlichkeit – und natürlich umgekehrt beim Mann.
Wie ergänzen sich nun laut tantrischer Lehre diese einander entgegengesetzt wirkenden Kräfte? Die Frau trägt einen essenziell empfangenden Pol, ihre Vagina und einen ausgleichenden inneren, dynamischen Pol auf der Ebene des Herzens in sich. Umgekehrt trägt der Mann einen essenziell dynamischen Pol auf der Ebene des Penis und einen inneren, empfangenden Pol im Herzbereich in sich.
Schauen wir uns diese unterschiedlichen Pole noch einmal genauer an: In den Genitalien zeigt sich physiologisch ein großer Unterschied. Die Vagina ist ein empfangendes Organ, das den Penis aufnimmt und in der Lage ist, den männlichen Samen und somit ein Kind zu empfangen. Der Penis des Mannes ist ein dynamisches Organ, das sich kraftvoll und zielorientiert zeigt. Der Mann ist für Sex meist schneller bereit, als die Frau. Um sich in der Tiefe wirklich öffnen zu können, braucht sie Zeit.
Auf der Ebene des Herzens ist besagter Unterschied nicht ganz so offensichtlich, bei genauerem betrachten jedoch durchaus nachvollziehbar. Hier ist die Frau in ihrer dynamischen und der Mann in seiner empfangenden Kraft. Sozialisation hin oder her: Wir Frauen sind oft einfach schneller im Ausdruck unserer Gefühle und die Männer davon leicht überfordert. Hier braucht er Zeit, um sich in seiner Tiefe wirklich öffnen zu können. Wenn wir uns in unserer Sexualität in unsere Körper hinein entspannen, uns auf unsere unterschiedliche Polarität wirklich einlassen und einander Zeit geben, entsteht ein wundervoll nährender Energiekreislauf, der der Begegnung zwischen Frau und Mann eine spirituelle und zutiefst nährende Dimension schenkt. Hierfür braucht es für mich als Frau jedoch ein vollständiges Bejahen meiner weiblichen, meiner empfangenden Kraft.
Da wo Gender die Vorstellung eines natürlichen Wesens des Weiblichen hinterfragt und meint, uns vom vermeintlichen Nachteil, eine Frau zu sein, befreien zu müssen, plädiere ich daher dafür, uns klar zu positionieren und zu polarisieren. Erst durch eine vollständige Akzeptanz unserer weiblichen Identität, kann ich als Frau auf einer heilsamen, nährenden Ebene dem männlichen Prinzip begegnen: Auf der äußeren Ebene einem Mann, auf der inneren Ebene meinem inneren Mann und dadurch aus der dynamischen Kraft meines Herzens in der Welt leben und wirken.
Es ist an der Zeit, dass wir Frauen uns endgültig aus einer Opferrolle befreien, mit der wir uns immer noch gerne identifizieren. Auf diese Weise entlassen wir den Mann auch endlich aus seiner Täterrolle, was die Beziehung zwischen Mann und Frau meines Erachtens erheblich entspannen würde. Möge für uns Frauen angesichts der Jahrhunderte währenden kollektiven Erfahrung von Abhängigkeit, Unterdrückung und Abwertung des Weiblichen die Angst, uns unserer empfänglichen Seite zuzuwenden auch noch so verständlich sein, hindert sie uns zugleich daran, die so dringend benötigten weiblichen Attribute für einen echten Frieden zwischen den Geschlechtern und einer Harmonisierung der Kräfte auf unserem Planeten zu initiieren. Um den Schmerz über die Verletzungen unserer weiblichen Seite nicht fühlen und anerkennen zu müssen, manipulieren und kontrollieren wir fleißig weiter, statt das Risiko einzugehen, ganz Frau zu sein. Solange wir hier unbewusst Opfer unserer Ängste und Schmerzen bleiben, können wir keine Kontrolle abgeben, uns entspannen und hingeben – der empfangender Pol kann sich in seiner Tiefe nicht wirklich öffnen. Könnte die unbewusste Sehnsucht nach echter Hingabe eine Erklärung dafür sein, warum sich „Fifty Shades of Grey“ trotz literarischem Griff ins Klo zu einem solchen Bestseller entwickeln konnte? Echte Hingabe hat jedoch nichts mit Unterwerfung zu tun – Sado-Maso-Praktiken können unser Sehnen auf Dauer nicht stillen oder gar zur Erfüllung bringen.
Unsere Gesellschaft braucht Frauen, die durch eine befreite Weiblichkeit ein Mehr an Fürsorge, Kooperation und Liebe etablieren, damit sich unsere Kultur ausbalancieren und weiter entwickeln kann. Eine Kultur, die durch rationales Denken, Konkurrenzgebaren und Profitoptimierung unsere Erde hauptsächlich ausbeutet. Für ein friedliches Miteinander zwischen den Geschlechtern, welches das Fundament für einen wirklichen Frieden in der Welt bilden würde – und für Mutter Erde, die ein trauriges Abbild dieser lange währenden unterdrückten Weiblichkeit darstellt. Es ist an der Zeit, dass wir Frauen unsere Liebe für eine friedlichere Welt einsetzen, statt unsere Zeit aus einer scheinbar befreiten Haltung heraus für emanzipierte Ampelweibchen oder gendergerechte Spielplätze zu vergeuden!
Tattva Viveka 2015
Slow Sex. Entspannter, cooler Sex im Hier & Jetzt.
Ist SlowSex die neue Technik für den ekstatischen Orgasmus – oder gar eine neue Verheißung am tantrischen Liebeshimmel?
Wenn wir dies glauben oder uns dadurch so manches erhoffen, wird die Enttäuschung nicht lange auf sich warten lassen. Fragen wir uns doch einmal: Was verbinde ich mit Sex? Wir stellen dann vielleicht fest, dass der Sex uns oft als Muntermacher, als Einschlafmittel, als Trostspender, als Kontrolleinrichtung, als Retter unserer Beziehung oder Ehe, als Möglichkeit, ein Gefühl der Sicherheit zu finden oder einfach als Lieblingsstrategie dient, um ganz banal Stress abzubauen.
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Aus unserer Erfahrung können wir diese Frage eindeutig bejahen. Doch: Von welchen Dimensionen sprechen wir da und wie können wir sie finden?
Die schlechte und die zugleich gute Nachricht ist: Wir können nichts dafür tun. Will heißen: Es gibt nichts hinzuzufügen, also keine neue Techniken zu erlernen, eher gilt es manches wegzulassen. Hier kommt nun SlowSex (wie Diana & Michael Richardson und wir ihn lehren) ins Spiel.
Die Einladung des SlowSex ist es, eine innere Haltung einzunehmen, die uns dazu befähigt, den jeweiligen Moment der sexuellen Begegnung achtsam und bewusst wahrzunehmen. Gleichzeitig lernen wir, uns unserer sexuellen Gewohnheiten, die meist schneller mit im Bett sind, als wir uns vereinigen können, gewahr zu werden. Solche Gewohnheiten können sein: eine Performance abliefern, Leistung bringen durch ganz viel Tun, gefallen wollen, sexuelle Fantasien benutzen, den Orgasmus im Auge haben und diesen auf jeden Fall, ganz zielstrebig erreichen wollen. Uns ist währenddessen nicht klar, dass wir hier meist in einem Programm-Modus und somit mehr oder weniger automatisch agieren.
Wir nennen es unser biologisches PaarungsProgramm (nach Marnia Robinson: Das Gift an Armors Pfeil). Hier sind wir im Grunde den Tieren gleich und benötigen zur Ausführung des sexuellen Aktes wenig bis gar keine Bewusstheit. Im Gegensatz zu den Tieren können wir Menschen jedoch dieses Programm und die damit verbundenen Gewohnheiten wahrnehmen und ggf. benennen. Wir können Bewusstheit in diesen zutiefst unbewussten Bereich hinein bringen, dadurch auch mal innehalten, Kontakt zu den eigenen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen aufnehmen und bemerken, was uns im sexuellen Miteinander noch wichtig ist: vielleicht willkommen und angenommen sein, eine seelische Verbindung ermöglichen oder eine Form von Begegnung erleben, die uns ganz tief im Herzen berührt.
Und das soll schon alles sein? Ja und zugleich Nein. Ja im Hinblick auf die innere Gestimmtheit, die dazu beitragen kann, dass wir uns im Sex endlich mal erlauben zu entspannen. Nein, es ist nicht alles, denn die meisten von uns sind nicht darin geübt, auf Knopfdruck einen im Inneren entspannten und bewussten Raum herzustellen. Wer meditiert, weiß dies aus eigener Erfahrung. Denn in der Meditation setzen wir uns, gerade wenn wir am Anfang einer inneren Praxis stehen, zuallererst mit der Unfähigkeit auseinander, die Aufmerksamkeit in einem definierten Zeitraum auf keinen oder auf einen frei gewählten Inhalt zu richten. Erst im Laufe einer gewissen Praxis fällt es uns dann irgendwann leichter, diese Aufmerksamkeit zu lenken, um somit der Achtsamkeit und Bewusstheit einen Raum zu öffnen. Hierfür gibt es Hilfsmittel oder Werkzeuge, die uns darin unterstützen können, den Geist allmählich zu beruhigen, wie z.B. die willentliche Konzentration auf den eigenen Atem. Nichts anderes ist SlowSex.
Meditation und Sexualität
Hier bringen wir dies zusammen. Auch hier nutzen wir „Werkzeuge“, die sogenannten Liebesschlüssel, die uns während des Sex behilflich sind, den jetzigen Moment bewusster wahrzunehmen und zugleich Geist und Körper zu entspannen: Es sind dies langsame und entspannte Bewegungen, Augenkontakt, eine entspannte Konzentration auf den Atem, das Kommunizieren während des Liebesspieles bzgl. der eigenen Befindlichkeit und Bedürfnisse, ein bewusstes Entspannen des Beckens bei der Frau und auch dem Mann und einiges mehr. Als natürliche Folge stellt sich erfahrungsgemäß eine gewisse Ruhe und Sicherheit im sexuellen Miteinander ein. Etwas in uns kann sich nun tief entspannen und loslassen. Manchmal lösen sich dabei Blockaden in Form alter Verletzungen und Emotionen. Das ist durchaus erwünscht und darf sein, denn es weist uns nur darauf hin, dass sich gerade ein tiefer Reinigungsprozess ereignet, der uns wieder befähigt, feinfühliger für kleinste Körperempfindungen und Gefühlsregungen zu sein und dadurch ein tiefgreifendes Heilungs- und Transforma-tions-Potenzial in sich birgt.
Sex wird somit, neben seiner Aufgabe der biologischen Fortpflanzung, wieder einer Bestimmung zugeführt, die unserer auf Leistung und Effektivität getrimmten Gesellschaft völlig abhanden gekommen ist: nämlich sich auch auf körperlicher Ebene nährend zu begegnen, tiefe Intimität und echtes Vertrauen zu erleben und zu erfahren, dass wir uns in der sexuellen Begegnung miteinander entwickeln und weiterwachsen können.
Sich füreinander Zeit nehmen
Möglich ist dieses Geschehen allerdings nur dann, wenn wir uns dabei Zeit geben, Zeit für die Liebe – Zeit für die Langsamkeit und uns und dem Anderen Verständnis, Geduld und Mitgefühl entgegenbringen. Wir wissen fast alle nicht, wie es ist, körperlich so miteinander zu sein, dass sich dadurch die Liebe und Verbundenheit zwischen zwei Menschen wirklich ausdrücken kann.
Je bewusster wir uns also im Sex begegnen, desto mehr tragen wir gemeinsam dazu bei, dass Langeweile und Lustlosigkeit, wie wir sie oft aus längeren Beziehungen kennen, einem Erleben weichen, das uns echte Verbundenheit und Nähe schenken kann, jenseits von Routine oder Event. Von Sensation zu Sensibilität, das ist der tiefe Sinn und eigentliche Weg des SlowSex.
KGS Berlin 2016
Slow Sex Erfahrungen und Gedanken eines Mannes
Die Männer sind in Bezug auf ihre Sexualität verunsichert, sie stehen unter Leistungs- und Leidensdruck. Dabei kann eine Form von sensitiver, gefühlvoller Sexualität sowohl Mann als auch Frau tiefer erfüllen und zu dem echten Kontakt führen, denn sich das Paar wünscht. Es ist eine absichtslose Sexualität, die Sex und Herz verbindet.
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Aus und vorbei! Meine Tage als sexueller Mann sind gezählt. Nachdem ich mir Jahrzehnte lang meine männliche Sexualität in oft mühsamer Kleinstarbeit mittels Leidenschaft und Leistung erworben habe, soll ich dies nun alles loslassen, langsam und empfänglich werden? Wohin mit meiner männlichen Kraft? Alles Gelernte vergessen und von vorne beginnen?«
Diese und ähnliche Sätze begegnen mir immer wieder, wenn ich als Mann über Achtsamkeit im sexuellen Kontext spreche, wenn ich darüber berichte, wie ich das Liebesspiel erlebe und mich dabei entspanne und absichtslos den jeweiligen Augenblick wahrnehme und wie zugleich Effizienz und Zielorientierung gegenstandslos werden.
Was kann mich als Mann dazu veranlassen, mich diesem Thema zuzuwenden? Was lässt mich im Sex bemerken, dass es vielleicht auch noch andere Erfahrungsräume gibt, fernab von männlicher Konditionierung und Gewohnheiten im Bett? Lohnt es sich, den eigenen sexuellen Horizont zu erweitern, um neue und vielleicht auch unbekannte Orte zu entdecken?
Aktuelle Situation
Wir Männer wissen in der heutigen Zeit eigentlich gar nicht mehr, wo uns der Kopf bzw. Penis steht: Leistungsdruck, Effektivität, bestmögliche Verfügbarkeit und Funktionalität sind meist unhinterfragte Vorgaben, um im Leben ein Mann zu sein. Nicht nur im täglichen Berufsumfeld, sondern auch in familiären Zusammenhängen bis hinein in den intimen Raum des sexuellen Miteinanders meint der Mann eine angemessene Leistung erbringen zu müssen. Während dabei der sogenannte Burnout mittlerweile eine anerkannte Funktionsstörung darstellt und ins allgemeine Gesellschaftsbewusstsein vorgedrungen ist, werden andere Bereiche des männlichen Lebensfeldes fast gar nicht thematisiert:
• zunehmende Lustlosigkeit auf Sex mit der eigenen Partnerin
• die um sich greifende Unfähigkeit, auch im Bett seinen Mann zu stehen, der erektile Burnout
• wachsende Abhängigkeit von sexuellen Reizen, bestens bedient durch eine Pornoindustrie und einen riesigen Markt für Sex-Equipment aller Art
• der Leidensdruck, den viele Männer vermehrt in sich erleben, weil sie realisieren, dass die Beziehung zu sich selbst auf der Strecke bleibt und somit auch der Kontakt zum Gegenüber sich immer schwerer gestaltet
• eine große Feinfühligkeit des Mannes im Bereich seines Herzens und die daraus entstehenden Bedürfnisse und Beziehungsdynamiken.
Angebote für solche Räume, die es mir als Mann ermöglichen, diese Themen zu bewegen, gibt es heute in therapeutischen, spirituellen oder kirchlichen Männergruppen. Für viele Männer aber sind sie bis heute ein Tabu.
Die Folgen
Dieses Tabu hat weitreichende Folgen. Denn immer wieder versuchen viele Männer einem Bild zu entsprechen, das durch Medien, Ratgeber und pornografisches Material in ihre Köpfe eingeprägt wird. Mit der Realität in den Schlafzimmern hat dieses Bild jedoch herzlich wenig zu tun. Diese besteht in der Regel aus einer Menge Unzufriedenheit und chronischer Unsicherheit bzgl. der Fragen nach dem modernen Mann im sexuellen Miteinander. Denn letztendlich erleben die meisten Männer nach einer gewissen Zeit, dass auch Strapse & Co. oft nur kurzfristige Entspannung und Vergnügen mit sich bringen.
Haben wir denn verlernt, körperlich zu lieben? Ja, das haben wir!
Wir haben gelernt, zu imponieren, zu leisten und durchzuhalten. Wir haben gelernt, eine Performance im Bett abzuliefern, in der Hoffnung, darüber Anerkennung, Zuwendung und letztendlich Liebe zu erhalten. Wir haben gelernt, uns zu verleugnen, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu verdrängen, um willkommen und angenommen zu sein.
Doch welcher Mann kann von sich sagen, dass er bei der Frau mit seinem Sex ehrlich willkommen ist? Und welcher Mann kann davon berichten, dass er die Frau in der Tiefe wirklich erreicht? … und damit meine ich nicht, es ihr ordentlich zu besorgen oder ihr viele Orgasmen zu bescheren.
Mein eigener Weg
Auch ich habe meine Frau im Sex immer wieder nicht erreicht, weil mir der Kontakt zu mir selbst abhanden gekommen war und ich nicht fühlen wollte, was ich wirklich brauche, um eine liebevolle und achtsame Beziehung mit meinem eigenen Inneren leben zu können. So entstand in mir die Hoffnung, mich wenigstens über den Sex zu spüren und dadurch einen Zugang zu mir zu finden. Meist ging es jedoch immer nur um mich selbst.
Dann begegnete ich Diana Richardson und ihrem Mann, die beide seit über 20 Jahren intensiv den Zusammenhang von Bewusstheit und Sexualität erforschen und in ihrem 7-tägigen »Making Love Retreat« den Paaren durch entsprechende Theorie und Praxis einen Erfahrungsraum ermöglichen, in dem die Liebenden eine tiefe Verbindung im sexuellen Miteinander erleben können. Nach dem ersten Retreat mit meiner Frau vor fast 10 Jahren veränderte sich unsere Begegnung im Sex grundlegend.
Ich realisierte: da gibt es ein Gegenüber und das möchte berührt werden, möchte gemeint sein und möchte mir in die Augen schauen können, um zu sagen: »Ich liebe Dich, weil Du in mir bist und ich liebe es, wie Du in mir bist.«
Nach und nach wurde mir bewusst, dass es da einen Raum gibt zwischen mir und diesem »Du« – einen Zwischenraum, der allerdings eine bestimmte innere Haltung erfordert, um ihn betreten zu können. Eine Haltung, die man im heutigen Medienspektakel um das Thema Sex vergebens sucht.
Slow Sex lehrte mich diese Haltung und erschloss mir neue Erfahrungsfelder.
Die innere Haltung
Achtsamkeit und Entspannung waren hierbei die entscheidenden Schlüssel. Sie brachten einerseits eine zuvor nicht erlebte Intimität und Nähe in den Beziehungsraum, andererseits ermöglichten sie ein Hineinwachsen in eine neue und selbstbewusste Männlichkeit. Ich entwickelte mich zu einem Partner, der ein neues männliches Selbstbewusstsein ausbildete, denn ich war bei meiner Frau mit meinem Sex und somit auch mit meiner Männlichkeit wieder willkommen.
Diese innere Haltung von Bewusstheit und Entspannung war der Wendepunkt meines Veränderungsprozesses. Ich beschreibe diese Haltung auch gerne als ein Anwesend-Sein in mir und zugleich im Du. Einem Zustand, der mich befähigt, in diesem Zwischenraum des Ich und Du einfach da zu sein – ohne Zielkoordinaten und Leistungsparameter. Ich spreche von Gegenwärtigkeit und Gewahr-Sein, von Kontemplation als der Kunst, in diesem Raum verweilen zu können – präsent zu sein.
Präsenz im Sex als neue Definition von Mann-Sein
Ich erkannte für mich, dass meine Essenz als Mann in der Fähigkeit besteht, präsent im Sex zu sein. Dieser Weg zu mehr Präsenz war ein tiefer, oft auch schmerzhafter Prozess des Loslassens alter Gewohnheiten, daher erforderte er Geduld und Mitgefühl mit meinen eigenen Mustern und sexuellen Konditionierungen. Und dieser Weg verlangte eine radikale Ehrlichkeit gegenüber meinen eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und wahren Absichten, warum ich Sex haben wollte.
Dadurch erfuhr ich eine tiefe Verbundenheit, ein Ankommen bei meiner Frau – ich entspannte mich. Denn auch ich als Mann habe ein tiefes Bedürfnis, mich im Sex entspannen zu können. Es entstand ein Sex, der aus dem Präsent-Sein in meinem Penis erwuchs. Er löste sich von einem genitalen Hunger, immer haben und penetrieren zu wollen und begann etwas zu teilen, weil ich erleben konnte, dass ich durch diesen neuen Kontakt zu meinem Inneren mir selbst mehr und mehr genügte. Sex und Herz gingen wieder eine Verbindung miteinander ein, weil ich als Mann über meine Präsenz im Penis meine Liebe zur Frau und die Würdigung ihrer Weiblichkeit zum Ausdruck brachte. Ich wurde liebender als Mann, lernte meine männliche Kraft wieder zu ehren und erlebte diese nicht weniger dynamisch als die Kraft der Leidenschaft und Wildheit. Sie ist mehr verinnerlicht und erfasst den gesamten Körper auf eine Art und Weise, die mich alle Sinnesempfindungen intensiver wahrnehmen lässt und ein Mehr an Lebensenergie erzeugt. Sensibilität statt Sensation, Energiegewinn statt Energieverlust, Entspannung statt Anspannung und Stress.
Sex und Herz
Diese Verbindung zwischen Sex und unserem Herzen spielt im Slow Sex gerade für uns Männer eine zentrale Rolle, um nicht nur den genitalen Akt auszuüben. Was braucht es daher, um den Herzraum zu erschließen, der bei vielen Männern verschlossen, ja regelrecht verpanzert ist?
Dazu ein kleiner Ausflug in die Welt der Polarität von Mann und Frau. Man verzeihe mir dabei die etwas vereinfachte Gegenüberstellung. Sie wird der Komplexität des Lebens sicher nicht gerecht, zugleich macht sie aber etwas deutlich, das durchaus als Gesetzmäßigkeiten der schöpferischen Kräfte im Universum entdeckt werden kann.
In der Genderforschung werden Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern weitgehend soziokulturellen Ursachen zugeschrieben. Es ist allerdings eine biologische Gegebenheit, dass unsere Körper bei einem Großteil der Menschheit einen Unterschied in den Genitalien aufweisen. Lassen wir die Formensprache der Fortpflanzungsorgane auf uns wirken, treten uns zwei grundsätzlich verschiedene Dynamiken entgegen. Hier der Penis als ein expressives, nach außen gestülptes Organ, dafür geschaffen etwas in den Umraum abzugeben. Dort die Vagina als ein impressives, nach innen gestülptes Organ, dafür geschaffen etwas aufzunehmen. Scheinbar gestaltet die Schöpfung mit polaren, entgegengesetzten Kräften. Zum einen eine Kraft der Dynamik, der expressiven und nach außen wirkenden Richtung – zum anderen eine Kraft des Aufnehmens, der impressiven und nach innen wirkenden Richtung. Im Slow Sex sprechen wir von einem aktiven und einem passiven oder auch dynamischen und empfänglichen Pol. Nicht im Sinne eines moralischen Urteils, eher als Beschreibung zweier entgegengesetzter Prinzipien, die sich zugleich ergänzen und für sich allein gesehen nicht existieren könnten.
Möchten wir Sex und Herz miteinander verbinden, braucht es diesen Blick auch auf das Herz. Hier finden wir das expressive Prinzip in den Brüsten der Frau und deren nach außen gestalteten Organik. Die Frau gibt über ihre Brüste dem Säugling die zum Leben und Gedeihen so wichtige Muttermilch, während der Mann über seinen Penis den zur Entstehung dieses Lebens so wichtigen Samen spendet. Der Brustbereich des Mannes wirkt dagegen eher zurückgehalten und beherbergt dort seinen aufnehmenden und empfänglichen Pol. Daher verfügt der Mann von seinem Wesen her eigentlich über eine hohe Kompetenz in Gefühlsangelegenheiten, während die Frau in sexuellen Zusammenhängen höchste Kompetenz ihr Eigen nennen kann. Denn das Aufnehmende ist jenes, welches spürt und fühlt und daher als erstes Disharmonisches oder Schmerzhaftes wahrnehmen kann.
Eine neue Liebeskultur
Der Mann besitzt wie die Frau sowohl einen empfänglichen als auch einen dynamischen Pol, jedoch in entgegengesetzter Veranlagung. Da unsere empfänglichen Pole höchst empfindsam und verletzlich sind, brauchen sie, um sich im Sex öffnen zu können, einen sensiblen Kontakt, der auf Achtsamkeit, Langsamkeit und Entspannung beruht. Solch ein Kontakt vermittelt Sicherheit, Geborgenheit und Bindung. Die Frau entspannt sich in ihrer Vagina, der Mann entspannt sich in seinem Herzen.
So ist es wichtig, dass wir Männer wieder ein Bewusstsein dafür entwickeln, mit welcher Absicht wir in den Sex hineingehen, um darauf vertrauen zu können, wirklich willkommen zu sein. Auch lässt es uns leichter verstehen, wie empfindsam wir Männer in unserem Herzen eigentlich beschaffen sind.
Fehlt uns dieses Wissen und mangelt es an entsprechender Achtsamkeit, ist das Empfängliche bei Frau und Mann immer wieder überfordert. Die Frau verliert die Lust am Sex oder lässt ihn mehr oder weniger angespannt über sich ergehen. Der Mann verschließt sich in seinem Herzen und zieht sich emotional zurück, so dass seine Frau ihn nicht mehr erreichen kann und an ihm zu zerren beginnt: »Nun sprich doch endlich mal über Deine Gefühle!« Dieses Wissen ermöglicht uns somit ein neues Verständnis bei der Entwicklung einer neuen Beziehungs- und Liebeskultur. Und sicher braucht es auch eine Kultur der Versöhnung und des ehrlichen Austausches, in der alle die Verletzungen, die wir uns über die Jahrhunderte aus Unwissenheit und Unbewusstheit gegenseitig zugefügt haben, heilen können. Sei es im persönlichen Kontext durch eine achtsame Kommunikationskultur und durch mehr Bewusstheit in der sexuellen Begegnung. Sei es im kollektiven Feld durch gemeinsame Begegnungsräume wie z.B. den Frauen-/ Männerkongress, der alljährlich in Deutschland stattfindet. In diesem Kongress gehen wir solchen Fragen nach, erforschen andere, vielleicht auch noch unbekannte Wege des Miteinanders und wollen damit einen Kulturimpuls initiieren – weg von Konkurrenz, Kampf und Habenwollen, hin zu Kooperation, Unterstützung und ein Mehr an Bewusstheit zwischen den männlich/weiblichen Kräftekonstellationen.
Unser Beitrag
Wenn auch das Vorangegangene sicher ein wenig schablonenhaft dargestellt ist, wird nun vielleicht an dieser Stelle dem einen oder anderen Leser deutlich, dass dieser Ansatz in seinen Grundannahmen für dieses neue Verständnis enorm hilfreich sein kann.
Nun sind wir seit einigen Jahren selbst dabei, an solch einer neuen Kultur mitzuwirken. Zum einen als Paar durch unsere »Making Love Retreats« zum Thema Achtsamkeit und Sexualität. Hierbei begleiten wir gemeinsam andere Paare auf ihrer ganz eigenen Abenteuer-Reise in den Slow Sex. Wir ermutigen dazu, die eigene Beziehung, Sexualität und Kommunikation miteinander zu erkunden und laden dazu ein, selbst Liebesforscher zu werden. Zum anderen als Mann und als Frau, indem wir Räume schaffen, wie sie im Vorfeld des Frauen-/Männerkongresses, z.B. in der sogenannten Männerzeit gegeben sind. Ein Raum, in dem die Männer unter Männern sein können, um sich in der eigenen Kraft zu stärken. Jedoch nicht im Sinne eines Gegeneinanders zwischen den Geschlechtern, sondern im Sinne eines Beitrages, aus den ganz eigenen Qualitäten dieser Polarität heraus in ein weiterführendes Miteinander zu gelangen, basierend auf Wertschätzung und Achtung der jeweils anderen Seite durch Bewusstheit.
Tattva Viveka 2014
Tantra oder die Kunst bewusst zu lieben
Neulich sagte eine Bekannte zu mir: „Tantra, das ist doch einfach nur ein anderer Begriff für Sex, aber spirituell verpackt.“ Eine Freundin assoziierte mit dem Wort Tantra: „Da liegt eine Horde Nackter und schmiert sich mit Sahne ein und alle lecken es ab.“ Mittlerweile lässt sich der Begriff auch gut im Prostitutionsgewerbe vermarkten. In Berlin sah ich neulich über einem Puff ein rot leuchtendes Schild mit der Aufschrift TANTRA.
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In abgeschwächter Form trägt Jeder von uns diese Trennung der Sexualität von der Liebe in sich. Wir benutzen Phantasien und sind durch unsere Orgasmusfixierung eher in der Zukunft, als bei unserem Partner. Wir benutzen auf sehr subtile Weise unseren Partner für unseren Lustgewinn und brauchen immer stärkere Reize, um unser sexuelles Interesse aufrecht zu erhalten. Wir spüren, dass uns diese Art von Sex eher trennt, als verbindet. Die Spaltung von Sex und Herz macht es in der heutigen Zeit für Mann und Frau sehr schwer, wirklich zueinander zu finden und einen heilsamen, körperlichen Kontakt miteinander zu leben, obwohl die Sehnsucht danach auf beiden Seiten groß ist. Es führt dazu, dass in vielen langjährigen Partnerschaften trotz Liebe die sexuelle Anziehung verloren geht. Weder die sexuelle Revolution, noch die Emanzipation der Frau hat die tiefen Wunden in unserer Sexualität heilen können. Sexualität ist eine Sache des Verstandes geworden; wir wissen nicht mehr um die Weisheit des Körpers und die eigentliche Schönheit der Verbindung des Männlichen mit dem Weiblichen.
Der Mann ist im tantrischen Sinne ein Himmelswesen, sein authentischer Ausdruck ist Präsenz. Die Frau ist ein Erdenwesen, ihre wahre Natur ist pure Liebe. Wenn der Mann lernt, präsent in der Frau zu sein, kann er damit ihre Liebe wieder zum Leben erwecken. Welch wunderschöne Alchemie.
Tantra ist die Verwandlung von sexueller Energie in Liebe durch Präsenz. Es bedarf hierfür kein Erlernen komplizierter Techniken – alles was es braucht, ist die Bereitschaft, in diesen so unbewussten Teil Bewusstheit zu bringen – bedingungslos ehrlich unsere sexuellen Konditionierungen anzuschauen. Wir befinden uns jetzt in der sogenannten Zeitenwende, gehen vom rationalen in das integrale Zeitalter, in der die weiblichen mit den männlichen Energien in eine Balance kommen. Wir dürfen in unser körperliches Zusammensein auch weibliche Qualitäten einladen: Entspannung statt Anspannung, Fühlen statt Denken, Körper statt Verstand, miteinander Fließen statt Zielorientiertheit, Langsamkeit statt Aktivität. Dadurch wird Präsenz erst möglich und es kann zu einem heilsamen Ausbalancieren der männlichen und weiblichen Energien kommen – sozusagen der Quantensprung in das neue Zeitalter auf partnerschaftlicher Ebene.
Auch wenn der Begriff Tantra in der heutigen Zeit leider häufig fehlinterpretiert oder für eigene Zwecke missbraucht wird, so lohnt es sich doch, genauer hinzuschauen und vielleicht eigene Meinungen und Bilder zu revidieren. Wir brauchen dringend eine neue Paarkultur für eine friedvollere, liebevollere Welt – im Tantra finden wir den Wegweiser!
Zeitschrift Intuition 2008